Starke Frauen für eine minenfreie Welt
Humanitäre Minenräumung galt lange Zeit als ein eher männliches Tätigkeitsfeld. Jedoch hat sich dieses Bild mittlerweile geändert und viele Organisationen haben gemischte oder rein weibliche Teams. Unser Projektpartner FSD bildete die ersten Minenräumerinnen vor fast 15 Jahren in Sri Lanka aus und hat 2021 ein Minenräumungsteam von sieben Frauen im Irak aufgebaut. GGL unterstützt dieses Team 2022 mit dem Ankauf eines voll ausgestatteten Rettungswagens.
Eine interne Umfrage von FSD unter den weiblichen Mitarbeiterinnen zeigt die Auswirkungen dieser neuen Karriereoption auf ihr Familienleben und ihren Platz in der Gesellschaft. „Seitdem ich diesen Job mache haben sich meine Beziehungen zu meiner Familie und meinen Freunden verändert. Ich fühle mich unabhängiger“, erklärt Noor, Leiterin des weiblichen Minenräumungsteams von FSD im Irak. Wie die meisten ihrer Kolleginnen wusste Noor nichts über Minenräumung, bis sie 2019 von FSD rekrutiert wurde. Sie ist ausgebildete Juristin. „Ich musste einen Job finden. Ich habe im Aufklärungsteam angefangen, welches die Bevölkerung auf die Gefahren von Sprengstoffen aufmerksam macht. Die Arbeit hat mir sehr viel Spass gemacht. Dann entschied ich mich für die Ausbildung zur Minenräumerin.”
Im Irak sind Frauen immer noch schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Nur 13 % der Frauen sind erwerbstätig. Bei den Männern liegt der Anteil bei 75 %. In den Gebieten, die zwischen 2014 und 2017 von den Truppen der Terrormiliz Islamischer Staat besetzt wurden, ist die Situation noch schwieriger. Das Ausmass der Zerstörung und Kontamination durch Sprengkörper verlangsamt die wirtschaftliche Erholung und behindert die Versuche der Menschen, ihr normales Leben wieder aufzunehmen.
Die FSD ist im Regierungsbezirk Ninive tätig, einem der am stärksten von den Kämpfen betroffenen Gebiete. Die zukünftigen Minenräumerinnen werden aus der lokalen Bevölkerung rekrutiert und durchlaufen einen sechswöchigen Ausbildungskurs, an dessen Ende sie das Minenräumungsdiplom der Stufe 1 erhalten. Ende 2019 wurde ein 1. Team aus sechs weiblichen Minenräumerinnen und einer Erste-Hilfe-Beauftragten gebildet. Darüber hinaus haben sich weitere Frauen den Teams angeschlossen, die die selbstgebauten Sprengsätze lokalisieren und das Bewusstsein der Bevölkerung für die Gefahren der Sprengkörper schärfen.
Das neue Team aus weiblichen Entminerinnen wurde 2021 gegründet und schloss seine Ausbilung Ende November ab. Die 30-jährige Noor, studierte Juristin, ist Teamleiterin (großes Bild oben). Mit 1. Dezember nahm das Team seine wichtige Arbeit auf. Derzeit arbeiten sie an einem kontaminiertem Gebiet direkt an der Hauptstraße zwischen Erbil und Mosul. Durch ihre Arbeit wird dieser wichtige Verkehrsweg und das ihm umgebende Gelände wieder sicher.
Laut den UN-Leitlinien zur Geschlechtergleichstellung in Minenräumungsprogrammen „hat die Beschäftigung von Frauen in betroffenen Gemeinden einen transformativen Charakter, trägt zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen bei und erhöht ihre Teilhabe und Entscheidungsmacht.” Eine Umfrage, die FSD unter den weiblichen Mitarbeiterinnen durchgeführt hat, bestätigt diese Funde. Eine große Mehrheit der befragten Frauen gab an, dass sie mehr Entscheidungen im Haushalt treffen, einschliesslich solche die mit Ausgaben zu tun haben, seit sie für die FSD arbeiten. Die meisten von ihnen beteiligen sich jetzt weniger an der Hausarbeit, die nun mehr von ihren Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern erledigt wird. Sie haben zudem das Gefühl, dass ihr Einfluss innerhalb ihrer Gemeinden zugenommen hat, teilweise auch aufgrund der Fähigkeiten, die sie in ihren neuen Jobs erworben haben.
Wie andere humanitäre Minenräumorganisationen hat auch FSD spezielle Richtlinien und Verfahren eingeführt, um eine geschlechtersensible Rekrutierung, Ausbildung und Durchführung von Aktivitäten zu gewährleisten. Die Organisation achtet sehr darauf, die spezifischen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen und jede Form von Diskriminierung und geschlechtsbedingter Gewalt innerhalb ihrer Teams zu verhindern.
Die Rekrutierung weiblicher Minenräumerinnen kommt nicht nur der Emanzipation der Frauen und der Verbesserung ihres Status in den betroffenen Gemeinden zugute. Es hat sich gezeigt, dass ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in allen Bereichen der Minenräumung die Qualität der Einsätze verbessern kann. Gemischte Teams erleichtern zum Beispiel den Dialog mit den verschiedenen Gruppen innerhalb der vom Konflikt betroffenen Bevölkerung.
MIt herzlichem Dank an unseren Projektpartner FSD für die Bereitstellung dieser Informationen. Wir freuen uns, diesen Text am Internationalen Frauentag 2022 präsentieren zu können!