Irak

Irak: Rückkehr in ein sicheres Leben dank Entminung!

Am 20. Oktober 2016, nach über zwei Jahren des Terrors durch den IS, wurde das Dorf Al-Salahiya im Nordirak nach schweren Kämpfen vom irakischen Militär befreit. Die DorfbewohnerInnen mussten fliehen, viele konnten bis heue nicht zurückkehren: Überall lauern noch immer tödliche Sprengfallen auf ihre Opfer. Die beiden Schwestern Mona und Rana mussten schon als kleine Kinder die Schrecken von Gewalt, Flucht und dem jahrelangen Leben als Vertriebene erleiden. Sie und ihre Eltern berichten uns darüber.

Das schwere Schicksal der Familie Abdullah

Stellvertretend für die vielen vertriebenen Familien aus Al-Salahiya und vielen anderen nordirakischen Dörfern schildern der 39-jährige Mahmoud (im Bild links), seine Ehefrau Nour, und seine fünf Kinder eindrucksvoll, was es bedeutet, wenn die Rückkehr in ein normales Leben nach jahrelangen Entbehrungen in greifbare Nähe gerückt ist.

Im Oktober 2014 fiel Al-Salahiya der Terrormiliz IS zum Opfer: Tod, Zerstörung und Vertreibung waren die Folge – Al-Salahiya wurde zur menschenleeren Geisterstadt. Auch Mahmoud und seiner Familie blieb keine andere Wahl, als zu fliehen.

Mona, die 11-jährige Tochter von Mahmoud und Nour, erinnert sich noch an den Tag, an dem sie und ihre Familie alles zurücklassen mussten: „Ich war sieben Jahre alt, als wir fliehen mussten. Die Angst erfüllte unsere kleinen Herzen. Wir mussten fünf Boote nehmen, eines nach dem anderen. Wir verließen frühmorgens das Haus und kamen um Mitternacht im Gouvernement Bagdad an. Seitdem sind wir sieben Mal umgezogen und haben in sieben verschiedenen Häusern in sieben verschiedenen Gegenden gelebt, immer auf der Suche nach Stabilität, die wir aber nie gefunden haben.”

Einige Tage nach ihrer Flucht erhielt die Familie Abdullah die Nachricht, dass ihr Haus von den Terroristen in die Luft gesprengt und die Trümmer vermint wurden. Es kam noch schlimmer: Während der militärischen Befreiungsoperation im Oktober 2016 wurde Al-Salahiya erneut zum Schlachtfeld. Im Verlauf der Kämpfe wurde das gesamte Dorf von IS-Anhängern vermint und war als Folge des Krieges mit unexplodierten Kriegsresten übersäht, was die Rückkehr vieler Menschen lange Zeit undenkbar machte.

Für die Kinder der Familie Abdullah ist das Leben als Vertriebene besonders schwer. Mona und Rana, damals sechs und sieben Jahre alt, lebten bis 2014 ein glückliches Leben im Dorf Al-Salahija. In einem Gespräch mit unserer Mitarbeiterin erzählten sie von täglichen Besuchen bei Verwandten, vom unbeschwerten Spielen mit Freunden und unversperrten Türen, sogar in der Nacht. “Hier in Mossul, wo wir derzeit leben, fühle ich mich nicht wohl. Es ist gefährlich, alleine auszugehen. Wir verstehen den Dialekt nicht. Aber unser Haus in Al-Salahiya ist völlig zerstört und vermint und wir können nicht zurück. Dabei vermisse ich unser Dorf, unsere Verwandten, das Haus und den Garten so sehr”, schildert die 14-jährige Rana ihre derzeitige Situation.

Anfang Februar 2021 dann jedoch endlich die erlösende Nachricht für die Familie von Mahmoud und Nour: Die mechanischen Räumungsteams der GGL-Partnerorganisation FSD haben die Sicherung ihres Hauses abschließen können! Es liegt zwar noch viel Arbeit vor der jungen Familie, aber der Grundstein für den Wiederaufbau und somit für eine Rückkehr in ein friedliches Leben ist gelegt.

Teilerfolge auf dem langen Weg zur Heimkehr

Auch vier Jahre nach dem Sieg über die Terrormiliz IS sind improvisierte Sprengfallen (IED) im Nordirak allgegenwärtig.

Eine Entminerin durchsucht die Trümmer, die vom Haus der Familie Abdullah übrig blieben, nach Sprengfallen.

Aus Alltagsgegenständen hergestellt, werden sie von ZivilistInnen nicht als Gefahr erkannt und können so einen verheerenden Schaden anrichten. Eine improvisierte Mine kann wie ein Wasserkanister, ein Telefon oder ein Spielzeug aussehen. Viele verlassene Wohnhäuser wurden mit dem Ziel vermint, die ehemaligen BewohnerInnen an ihrer Rückkehr zu hindern. Auch nach der Befreiung der besetzten Dörfer, ist für die Menschen im Irak an ein friedliches und sicheres Leben unter diesen Umständen nicht zu denken.

Ziel der von GGL unterstützten Projektarbeit im Irak ist es daher, diesen Menschen durch die Entminung ihrer Dörfer und Häuser eine baldige und sichere Heimkehr zu ermöglichen und so neue Hoffnung zu schenken. Die Räumung und Sicherung eines verminten Hauses dauert zwischen 15 und 25 Tagen und hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.

Zu diesem Zweck finanziert GGL seit drei Jahren den Einsatz großer Räummaschinen für die Beseitigung von verminten Haustrümmern im Nordirak mit, den unser Projektpartner FSD erfolgreich durchführt.

Seit Akkreditierung der mechanischen Minenräumung durch die zuständigen irakischen Behörden konnten durch unsere Teams fast 300.000 Quadratmeter Land freigegeben, über 1.100 Kubikmeter verminte Trümmer fortgeräumt und dabei 131 improvisierte Sprengfallen sowie 25 unexplodierte Kriegsreste entschärft werden.

Konkret konnten seit Beginn der Unterstützung durch GGL folgende Teilprojekte realisiert werden:

Das Team der mechanischen Minenräumung vor den von GGL mitfinanzierten Räumfahrzeugen bei einer Teambesprechung. Rechts der von GGL Ende 2020 angeschaffte Einsatzwagen. Heuer wollen wir einen weiteren, dringend benötigten Einsatzwagen bereitstellen.

Ein ganzes Dorf erblüht zu neuem Leben

All diese Anschaffungen ermöglichen es den Teams unserer Partnerorganisation FSD, die Beseitigung von verminten Trümmern effizienter zu verrichten. Durch diese wichtige Vorarbeit wird die schnellere Heimkehr geflüchteter Familien möglich. Doch die erfolgreiche Entminung eines einzelnen Hauses schenkt nicht nur den betroffenen ehemaligen BewohnerInnen neue Hoffnung, sondern hilft auch dem Rest des Dorfes und der Gemeinschaft, den IS-Terror Schritt für Schritt hinter sich zu lassen.

Denn auch für die NachbarInnen bedeutet die abgeschlossene Räumung des verminten Nachbarhauses der Familie Abdullah eine Rückkehr zur Normalität. Nachbarskind Safaa ist erleichtert: „Ich werde ohne Angst zur Schule gehen, da keine Gefahr mehr für mich oder meine Familie besteht. Meine Angst, Menschen aus meiner Familie zu verlieren, wird verschwinden.“ Hinzu kommt die Vorfreude auf die Rückkehr ihrer Kindheitsfreundinnen Mona und Rana, mit denen sie viele schöne Erinnerungen teilt.

Ahmad, ein anderes Nachbarskind, hat ebenfalls Grund zur Freude: „Mein liebstes Hobby ist Fußball spielen. Seit Jahren durfte ich das wegen der explosiven Kriegsreste neben meinem Haus nicht. Nachdem das mechanische Räumungsteam von FSD in die Gegend gekommen ist und das Nachbarhaus von explosiven Gefahren befreit hat, kann ich mit meinen Freunden frei und sicher spielen, weil die Gefahr, die uns umgab, weg ist.“

Vielen Dank an alle GGL-Unterstützerinnen und Unterstützer, die diese wertvolle Arbeit seit Jahren möglich machen und den Menschen im Irak in dieser schwierigen Zeit beistehen! Bitte unterstützen Sie uns weiterhin: Dringend benötigen unsere Teams einen weiteren Einsatzwagen.